KI oder kann ich selbst?
- Susanne Bahro
- 16. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Die atemberaubende Entwicklung immer neuer KI-Tools für Vertrieb und Marketing gibt jedem, der sie noch nicht nutzt, das Gefühl, einen Trend zu verschlafen. Deshalb höre ich in letzter Zeit häufig die Frage: Kann das nicht eine KI machen? Ich sag mal so: Mit künstlicher Intelligenz verhält es ähnlich wie mit Unkraut: Nur, weil einige Sorten nicht giftig sind, muss man sie noch lange nicht essen!
Am meisten Verwendung finden KI-Tools im Bereich Text- und Bilderstellung und es ist ja auch verlockend: Kaum ein paar launige Prompts abgesetzt, spuckt das Tool auch schon ein fertiges Produkt aus. Dagegen ist prinzipiell nichts zu sagen, aber wer auf Exzellenz abzielt, sollte sich überlegen, was danach passiert. Will ich den Text wirklich so, wie er da vor mir liegt, verwenden? Eine gute Frage ist: Wie würde ich diesen Text bewerten, wenn ich einen Texter damit beauftragt hätte und dafür bezahlen soll? Wäre ich dann immer noch damit zufrieden? Wenn die Antwort Nein heißt, ist der Text nicht gut genug, KI hin oder her.
Generell sollte man sich immer fragen, was mit einem Text oder Bild erreicht werden soll. Brauche ich nur mal eben auf die Schnelle ein passendes Foto zur Bebilderung meines Blogbeitrags? Dafür liefert ein KI-Bild gute Dienste. Will ich dagegen ein Direct-Mailing an meine Key Accounts versenden, ist der KI-Text sicher nicht die beste Wahl. Denn obwohl die Tools besser werden, erkennt jeder halbwegs gebildete Mensch einen KI-Text auf den ersten Blick. Weniger an den oft zitierten, falsch verwendeten Bindestrichen als an der seelenlosen Ausdruckweise ohne rhetorische Figuren, ohne Wortwitz und Kreativität.
Deshalb lautet meine Empfehlung, die Tools überall dort zu nutzen, wo sie die eigene Arbeit erleichtern oder effizienter machen - aber das Ergebnis immer nur als Zwischenschritt zu sehen, zumindest, wenn es um Texte geht. ChatGPT mag einen schlüssigen, logischen Aufbau für einen Fachartikel liefern, die Inhalte selbst bleiben aber oft beliebig. Was daran liegt, dass die Tools nur so intelligent sind wie die Inhalte, auf die sie zurückgreifen können. Jetzt rächt es sich, dass das Web voll ist mit belanglosen, gleichförmigen Beträgen ohne Relevanz. Besonders bei E-Mails würde ich auf KI-Unterstützung gänzlich verzichten, einfach deshalb, weil mir ein zwar nicht perfekter, aber dafür persönlicher Text lieber ist. Ich möchte beim Lesen ein Gefühl dafür bekommen, mit wem ich es zu tun habe. Die Tatsache, dass immer mehr Menschen auf KI als Schreibhilfe zurückgreifen, macht menschliche, persönliche Texte nur umso kostbarer.
In der Vermarktung gilt dasselbe. Lieber wenige Bilder von einem guten Fotografen als viele KI-generierte, auf denen das Objekt kaum wiederzuerkennen ist. Am meisten verspreche ich mir mittelfristig von Tools für virtuelles Staging, denn nach meinen jüngsten Tests mit zwei der Marktführer in diesem Bereich musste ich feststellen, da ist noch viel Luft nach oben. Man sieht bei allen Bildern auf den ersten Blick, dass die Möbel reinretuschiert worden sind. Ob und wann sich das ändern wird, ist fraglich, aber bis es soweit ist, greifen wir lieber auf das gute, alte Staging zurück. Ist doch tröstlich zu wissen, dass zumindest in Punkte Kreativität die KI uns Menschen noch nichts voraus hat.

Comments